Welcher Kunststoff für Gleitlager? POM, PA66 und PEEK im Vergleich

Lars Butenschön | 20. August 2020

Ist die erste Frage „Kunststoff oder Metall“ erstmal zu Gunsten von Kunststoffen beantwortet, ist man nicht selten genauso schlau wie vorher. Als treffender Vergleich fällt mir meine tägliche Lieblings-Frage ein „Was wollen wir denn heute kochen?“. Klasse wäre, wenn sich die Frage auf „Kartoffeln oder Nudeln“ herunterbrechen ließe. Die Einigung auf „Kartoffeln“ schränkt die Möglichkeiten zwar um ungefähr 50% ein. Aber dann muss ich immer noch abwägen: Bratkartoffeln? Kartoffelsuppe? Kartoffelklöße? Kartoffelauflauf? Kartoffelsalat? Welcher Kunststoff für Gleitlager sein? PEEK? Oder POM? PA66 mit 30% Glasfaser? Oder ohne?

Natürlich ist die Praxis komplexer und ernster. Die Charakteristika, nach denen die verschiedenen Optionen ausgewählt werden müssen, sind technisch und wirtschaftlich von entscheidender Bedeutung. Umso schwerer kann hier daher die Entscheidung fallen. Kartoffelsalat und Kartoffelsuppe machen beide satt. Der falsche Kunststoff entscheidet im Zweifelsfall über Zehntausende Kundenreklamationen und ruinierte Firmen oder gar Menschenleben. (Bei aller, für ein Spannung erzeugendes Intro gebotenen Dramatik: Natürlich entscheidet der Großteil dieser Fragestellungen in der Lagertechnik eher über ein zu frühes Quietschen irgendwo in der Maschine)

Dennoch: Um ein Bild der Unterschiede innerhalb der am häufigsten anzutreffenden Kunststoffe für Gleitlager zu bekommen, schauen wir uns doch einfach einige davon genauer an.

PA66 und POM – die häufigsten Vertreter

…oder um beim Kartoffel-Beispiel zu bleiben: Die Pommes und Salzkartoffeln. Passt zu so ziemlich allem. Aber auch nichts besonderes. POM (Polyoxymethylen) erfreut sich unter Gleitlagerherstellern und Anwendern gleichermaßen großer Beliebtheit. Es lässt sich leicht ver- und bearbeiten und ist somit vielseitig für verschiedenste Formen von Lagern einsetzbar. Darüber hinaus ist es sehr verschleißfest, formstabil, einigermaßen temperaturbeständig, recht kriechfest und dafür auch noch verhältnismäßig günstig. Gleitlager aus POM kommen in vielen verschiedenen Anwendungen zum Einsatz. Von der Lagerung in Handmixern bis zur Verpackungsstraße. An die Grenzen des Werkstoffs stoßen Anwender bei Lagerstellen mit hohen Lasten oder hohen Temperaturen. Zudem neigen POM-basierte Werkstoffe zum Ausgasen geringer Mengen an gesundheitsschädlichen Formaldehyd. In den meisten Anwendungen ist dies unproblematisch. Allerdings wird beispielsweise aus diesem Grund kein POM in Fahrzeug-Innenräumen eingesetzt. Hier kann das Ausgasen auf engem Raum bei durch Sonneneinstrahlung bedingter Wärme zum Problem werden – oder zumindest zu Geruchsbelästigung führen.

PA66 (Polyamid, bestehend aus 2 Monomeren mit jeweils 6 Kohlenstoffatomen, gesprochen PA-Sechs-Sechs) ist vor allem mit der verbreiteten zusätzlichen Verstärkung durch Kohle- oder Glasfasern nochmal deutlich stabiler als POM und etwas temperaturbeständiger. Dafür lässt es sich weniger gut bearbeiten. Gerade die Herstellung großvolumiger Teile und die spanende Bearbeitung sind hier schwieriger. PA66 ist ebenfalls recht preisgünstig und wird aufgrund dieser und der übrigen Stärken häufig eingesetzt. Gerade bei der Verschleißfestigkeit, beim Reibverhalten und der mechanischen Festigkeit spielt PA66 jedoch alle Stärken aus und wird daher vor allem bei stärker beanspruchten Gleitlager-Anwendungen häufig und in den verschiedensten Varianten eingesetzt. Durch die Beigabe verschiedener Füll- und Verstärkungsstoffe ergeben sich hier viele verschiedene Eigenschaften und Anwendungsfälle. Dabei reichen die Anwendungen vom Bürostuhl bis zur Lagerung von Bremshebeln in Mountainbikes.

PEEK – Klingt nicht ohne Grund wie das englische Wort für „Gipfel“

Es gibt auch noch eine ganze Menge anderer „Higher-End“ Werkstoffe wie PPS, PPS-U, PAI und so weiter… Aber um den Rahmen des Posts nicht zu sprengen bleiben wir erstmal bei PEEK, da dieser Werkstoff recht häufig in Gleitlagern verwenden wird. Warum ist das so? PEEK ist ein echter Problemlöser, wenn es um hohe Temperaturen jenseits der 200°C geht. Es ist äußerst chemikalienresistent, bietet gute Festigkeitswerte und ebenfalls gute tribologische Eigenschaften. Der Haken: Der Preis. Der reine Kilopreis kann schon mal das zwanzigfache von einfachem POM oder PA66 betragen. Ein Problemlöser eben. Entsprechend kommt PEEK als Kunststoff für Gleitlager dort zum Einsatz, wo andere Kunststoffe nicht funktionieren würden und metallische Lager nur aufwändig vor Korrosion oder deren Schmierung vor dem Verflüchtigen geschützt werden können.

Und jetzt? Zahlen, Daten, Fakten? Was ist denn nun besser?

„Gute Formstabilität“ „äußerst chemikalienresistent“. Da schlägt das Ingenieurs-Herz doch gleich höher. Oder etwa nicht? Natürlich gibt es zu diesen Aussagen auch technische Daten. Das Problem: Allein anhand dieser Daten lässt sich das beste Gleitlagermaterial auch nicht bestimmen. (Lesen Sie hier, wieso). Was ist Ihnen wichtig für Ihre Gleitlager-Anwendung? Hohe Lasten? Über 50 MPa? Dann nehmen Sie besser ein PA66. Am besten sogar mit Glasfaserverstärkung. Darf es dann etwas mehr sein? Marke X von Hersteller Y mit 35% Glasfaser trägt 80 MPa. Ist aber nur „sehr verschleißfest“. Das andere mit 30% Glasfaser aber „hoch verschleißfest“. Alles nicht so einfach.

Sparen Sie sich die Vergleiche – Wir wählen für Sie den richtigen Kunststoff aus

Welcher der beste und vor allem kostengünstigste Kunststoff für Gleitlager ist, hängt von Ihrer Lagerstelle ab. Wir analysieren die Anforderungen, die sich aus den verschiedenen Umgebungs-Parametern ergeben und ermitteln für SIe im Handumdrehen das richtige Gleitlager. Durch jahrzehntelange Erfahrung und Hunderttausende von standardisierten Verschleißtests in verschiedenen Szenarien, können wir für Sie den passenden Werkstoff auf Basis tatsächlicher Verschleiß-Ergebnisse bestimmen. Somit verwenden Sie nicht einfach ein Gleitlager mit „sehr guten Verschleißeigenschaften“, sondern das „günstigste Gleitlager das funktioniert“.

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