Gleitlager für hohe Geschwindigkeiten? Wo liegen die Grenzen?

Lars Butenschön | 10. Dezember 2021

„Gleitlager eignen sich besonders für hohe Lasten bei geringen Geschwindigkeiten“ So oder so ähnlich heißt es in vielen Fachbüchern, Ratgebern und auch Werbetexten. Zwei Dinge machen diese Aussage für die Praxis nicht besonders hilfreich. In diesem Blogpost soll einerseits analysiert werden, was es mit dieser Aussage auf sich hat und unter welchen Bedingungen sich welche Arten von Gleitlagern eben doch für hohe Geschwindigkeiten eignen.

Gleitlager mit Formeln

Wortklauberei und Faktoren

Einerseits sind „hohe Lasten“ und „geringe Geschwindigkeiten“ natürlich stark relative Aussagen. Andererseits haben wir in vergangenen Posts bereits gelernt, dass Lasten und Geschwindigkeiten ein Produkt bilden. Dieses Produkt, PV-Wert genannt definiert grob die in der Lagerstelle erzeugte Wärme bzw. deren maximal mögliche Wärmeableitung. Die triviale Erkenntnis, die daraus gewonnen werden kann: Wenn 2 x 1 = 2 ist und 1 x 2 auch… dann kann man beim PV-Wert die Faktoren ebenfalls verändern und zum gleichen Ergebnis kommen. So wird aus der – stark relativen – Aussage „Gleitlager nur für hohe Lasten bei geringen Geschwindigkeiten“ die – immer noch stark relative – Aussage „Gleitlager auch für geringe Lasten bei hohen Geschwindigkeiten“.

Es geht um Wärme

Der entscheidende Punkt beim Thema Geschwindigkeiten und Lagern ist die Wärme. Hier gibt es grundsätzlich Zwei Möglichkeiten. Entweder reduziert man die Wärmeentstehung oder man verbessert die Wärmeableitung. Ersteres heißt vor allem Senkung des einwirkenden Drucks bzw. der Flächenpressung und die Optimierung der Reibung. Je geringer die Last und je geringer die Reibung, desto weniger Wärme entsteht durch hohe Geschwindigkeiten. Alternativ: Verbessern Sie die Wärmeableitung. Das ist oft wesentlich leichter gesagt als getan. Wärmeableitung verbessern heißt entweder, das Lager in einer kühlenden Flüssigkeit laufen zu lassen, die permanent zu und wieder abgeführt werden muss (siehe Motoröl)… oder die Umgebung möglichst herunterkühlen… oder möglichst für „kühlende“ Stillstandzeiten sorgen. Alles nicht so einfach.

Die Verwendung von Werkstoffen mit hoher Wärmeleitfähigkeit kann ebenfalls etwas bringen, schränkt aber bei der Wahl der Werkstoffe stark ein und ist am Ende eben auch in der Wirkung recht limitiert. Eine besonders gute Wärmeableitung bieten metallische Werkstoffe. Diese benötigen aber von Haus aus ohnehin Schmierung um die Reibung und den Verschleißschutz auf ein vertretbares Maß zu bringen.

Wie Wärmebeständig sind Kunststoffe für hohe Geschwindigkeiten?

Sogenannte Hochtemperaturkunststoffe können dauerhaft bei 250° C bis 280° C eingesetzt werden. Darüber wird die Luft recht dünn. Falls geschmierte Lager aus Metall nicht in Frage kommen, bleiben hier noch Keramik, Kohle oder Graphit und Siliziumcarbid. Diese Werkstoffe sind jedoch relativ aufwändig zu ver- oder bearbeiten und recht spröde, was den Einsatz als Gleitlager nur in sehr spezifischen Anwendungsfällen praktikabel macht. Unterhalb von 180°C wird die Auswahl nochmal deutlich größer. Hier bieten sich schon eine reihe von Kunststoffen an und ermöglichen ein breites Anwendungsspektrum. Wie sich hohe Temperaturen auf Kunststoffe auswirken erfahren Sie auch in unserem Blogbeitrag zu diesem Thema.

Der Vorteil: Flexibilität

Zwar bieten tribologisch (Lehre von Verschleiß, Reibung und Schmierung) optimierte Kunststoffe eine im Vergleich zu Metall relativ geringe Hitzebeständigkeit – dafür sind sie aber wiederum sehr flexibel und resistent was den Einsatz mit oder ohne Schmierstoff angeht. Sie sind resistent gegen Chemikalien, können also direkt in bspw. Pumpen oder Ventilen mit Medienkontakt laufen. Droht die „Schmiermittel-Versorgung“ zu versiegen, beispielsweise beim Notlauf im „trockenen“ Betrieb, halten die Lager zumindest über kurze Zeit noch den Betrieb aufrecht. So lange eben, bis die Sache zu heiß wird.

Wenn Ihnen die Sache zu heiß wird – wir beraten Sie gerne

Die meisten Anwendungsszenarien für Gleitlager lassen sich mit der Wahl des richtigen Kunststoffs entschärfen und meistern. Unsere Experten für Gleitlagertechnik beraten Sie von Anfang an bei der Umsetzung Ihres Gleitlagerprojekts. Stückzahlunabhängig und unverbindlich legen wir mit Ihnen gemeinsam den am besten geeigneten Kunststoff fest, unterstützen Sie beim Design des fertigen Bauteils und stellen dieses anschließend mit dem jeweils kostengünstigsten Herstellverfahren für Sie her. Wir beraten Sie telefonisch, per email, virtuell und natürlich auch bei Ihnen vor Ort.

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