3 technische Kenngrößen, die bei keiner Lagerauswahl fehlen sollten
Lars Butenschön | 19. März 2020
Nur noch kurz den einen Arbeitsschritt… und schon ist es passiert. Das Gerät streikt. Der Kniehebel ist blockiert und die Maschine geht in den Notaus. Während mir nun beim Schreiben viele Wortspiele mit Knien einfallen, fällt dem Anwender nur eines ein. „Wie lange braucht der Servicetechniker?“ „Warum hält der Mist nicht, bis der eilige Auftrag abgearbeitet ist?“ „Kann ich das selbst auseinander bauen?“ – Wenig später, abhängig davon, ob der Techniker fix vor Ort oder das handwerkliche Geschick zur Selbsthilfe ausgereicht hat, liegt nun ein deformiertes Stück Gleitlager neben einem ebenfalls nicht minder gut aussehenden Lagerbolzen. Und das alles kurz vor Ende der Spätschicht. Na toll. Wer hat denn da bei der Lagerauswahl geschlafen?
Hinterher ist man immer schlauer – Die Tücken der Lagerauswahl
Die richtige Auslegung und Analyse einer Lagerstelle und die darauffolgende Lagerauswahl ist eine Gratwanderung. Einerseits lassen sich diverse Bewegungsabläufe und einwirkende Kräfte im Vorfeld berechnen, andererseits wächst der Analyse- und Berechnungsaufwand schnell ins Unermessliche. Glücklicherweise lassen viele Faktoren eine gewisse Unschärfe zu oder werden mit Sicherheitsfaktoren beaufschlagt. Doch welche sind die kritischen für die jeweiligen Anwendungen? Und selbst wenn man die grundsätzliche Eignung anhand von Datenblättern ermittelt hat – was sagt das über die spätere Lebensdauer des Lagers aus? Eine erste Orientierungshilfe gibt hier häufig der sogenannte PV Wert an. Ist der in der Anwendung ermittelte Wert niedriger als der maximal zulässige des Lagers? Alles gut! Oder doch nicht?
Der PV Wert – woraus besteht er eigentlich?
Das Mittel der Wahl bei der Lagerauswahl ist der sogenannte PV Wert. Ohne jetzt wieder ellenlang über diese Wert zu sprechen (Das habe ich zum Beispiel in diesem Post schon getan): Der PV Wert soll etwas über die Fähigkeit eines Gleitlagers aussagen, die durch Bewegung induzierte Wärme wieder abgeben zu können. Ist der in der Anwendung erzeugte PV Wert (Also Bewegung x Geschwindigkeit) höher als der der PV Wert des Lagers (Also dessen Fähigkeit, Wärme wieder abzugeben), erwärmt sich das Lager immer weiter und geht kaputt. Das ist natürlich einigermaßen verkürzt dargestellt, soll aber genügen, um uns auf die ersten beiden der drei eingangs erwähnten Kenngrößen zu bringen. Last und Geschwindigkeit. Wie kommen wir zur Nummer 3?
Köln oder Furnace Creek? Und was hat das mit der Lagerauswahl zu tun?
Wäre ich nicht ohnehin zu bequem, um mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, würde ich die Entscheidung wohl neben der Streckenlänge und der Höhenverhältnisse vor allem vom Klima abhängig machen. Furnace Creek im Death Valley in Kalifornien ist der amtierende heißeste Ort der Welt (Über 56 °C). Selbst bei größter Motivation wären 10 km Radweg bei diesen Verhältnissen wohl eher unrealistisch. Mit dieser bildlichen aber vielleicht etwas weit hergeholten Geschichte will ich sagen: Die Umgebungstemperatur ist nicht weniger wichtig, als die anderen beiden Kenngräßen. So hätte dem Konstrukteur der eingangs erwähnten Maschine klar sein müssen, dass der Kniehebel direkt neben der Öffnung eines Ofens positioniert ist. „Dat ist doch weit genug weg…wat kommt da an… vieleicht fuffzich Grad“ war dann doch eher wärmer. Die tatsächlich vorhandenen 75°C haben gereicht, um den PV Wert des Lagers so weit nach unten zu beeinflussen, dass die Wärmeableitung eben doch nicht ausreichend war. Das Ergebnis: Erhöhter Verschleiß.
Gehen Sie auf Nummer sicher
Neben den 3 genannten Kenngrößen, Umgebungstemperatur, Geschwindigkeit und Last gibt es noch weitere Kenngrößen. Zum Beispiel die Rauigkeit der Welle, die Einschaltdauer und viele andere. Und dann wäre es ja am Ende auch ganz spannend, nicht nur die Frage „Hält das Lager das aus?“ beantworten zu können, sondern auch „wie lange hält das Lager das aus?“. Hier lässt sich auch trefflich herum rechnen. Eine genaue Aussage liefert jedoch nur der real durchgeführte Beweis. igus® testet und dokumentiert das Verschleißverhalten der hauseigenen Gleitlagerwerkstoffe auf über 300 Testbänken in mehr als 10.000 Tests pro Jahr. Diese Daten fließen kombiniert in verschiedene Algorithmen des iglidur® Lebensdauer-Experten ein. Mit diesem praktischen Tool lässt sich die Lebensdauer von Gleitlagern in verschiedensten Anwendungen kostenlos berechnen. Selbst für Tretlager im Deathvalley oder Kniehebel in Ofennähe ;).