Elektrifizierung … Digitalisierung … Monetarisierung: Mit smarten Energiezuführungen hin zu mehr Produktivität für Hafenkranbetreiber

Richard Habering | 18. August 2022

Wird der Bauch dicker, muss eine neue Hose her. Ähnlich ergeht es Häfen auf der ganzen Welt. Moderne Containerschiffe wie die Ever Ace sind 400 Meter lang, 62 Meter breit und laden fast 24.000 Container. Die größere Hose ist in diesem Fall ein größerer Ship-to-Shore (STS) Kran, der die Container be- und entlädt. Ein Gigantismus, der Häfen auf der ganzen Welt vor Herausforderungen stellt. Denn die Leistung eines Krans hängt direkt von seinem Elektrifizierungssystem ab. Gleichzeitig ist ein störungsfreier Dauerbetrieb an sieben Tagen die Woche gefragt, 24 Stunden am Tag. Bei Wind und Wetter, hoher UV-Belastung, schwankenden Temperaturen und salzhaltiger Luft. Da es verschiedene Stromversorgungsoptionen gibt, kann es schwierig sein, eine Entscheidung bzgl. des richtigen Systems zu treffen.

Traditionelle Energiezuführungslösungen kommen immer mehr an ihre Grenzen

Ein Stromversorgungssystem, das häufig für Brückenkrane angeboten wird, ist eine offene oder isolierte
Stromschiene. Diese horizontalen Metallleiter versorgen den Kran über Stahl- oder Kupfer-Leitungsschienen entlang der Bahn oder Brücke mit Strom. Allerdings sind Stromschienen im Hinblick auf die Energieformen begrenzt, die sie liefern können. In einem Stromschienensystem benötigt jeder Leiter oder Mast eigene Leitungsschienen und Stromabnehmer. Schläuche und andere Leitungsarten müssen von einem separaten System geführt werden. Zudem setzen sie ungeschützte Stromleitungen der Umgebung aus, was in Anwendungen, die in der Nähe von Salzwasser installiert sind oder dort, wo chemische Dämpfe auftreten, problematisch sein kann.

In der Vergangenheit hieß daher die Antwort meistens „Festoons“ bzw. „Festooning“, d.h. Schlepp- bzw. Führungsketten, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes nach dem englischen Begriff für Girlande benannt werden. Festoons bestehen aus frei gespannten Zuleitungen mit integrierten Stahlseilen zur Zugentlastung. Die Leitungen hängen in der Regel ungeschützt am Kran und werden durch zusätzliche Antriebe dynamisch bewegt, d.h. ein- und ausgefahren. Ein wesentlicher Nachteil von Festoons ist, dass sie sich im windigen Betrieb am Hafenbecken verfangen und verheddern können und es so zu unerwarteten Betriebsstillständen kommen kann. Durch die Aufhängung in Kabelschlaufen ist zudem der Bedarf an Leitungslänge enorm.

Energiezuführungen aus Hochleistungskunststoff werden immer mehr zum Standard für Hafenkräne

Ein Elektrifizierungssystem, das diese Probleme lösen und in den meisten Anwendungen gleichzeitig eine höhere Leistung liefern kann, ist ein Energiekettensystem. Energieketten werden oft als die Lebensader moderner Maschinen bezeichnet. Es handelt sich bei ihnen um hochfeste Leitungsträger aus Kunststoff, die Leitungen in ständiger Bewegung zuverlässig schützen. Das Design ist modular und lässt sich an eine Vielzahl von Anwendungen anpassen. Im Gegesatz zu Systemen aus Stahl sind Energiekettensysteme aus Kunststoff auf Abrieb- und Korrosionsbeständigkeit ausgelegt. Kunststoff verringert auch das Gewicht und bietet schwingungsdämpfende Eigenschaften. Auch der Platzbedarf wird durch Energieketten erheblich verringert. Weniger Leitungslänge und der Wegfall des Leitungsbahnhofes schaffen zusätzlichen Raum, der für den Verbau zusätzlicher kybernetischer und sensorischer Systeme verwendet werden kann. So können Schaltschränke auf der Krankatze montiert werden und gegebenenfalls leistungsstärkere Aggregate integriert werden.

Gerade im Zeitalter von Industrie 4.0 werden diese sensorischen bzw. digitalen Systeme immer wichtiger, um dem steigenden Wettbewerbsdruck mit besserer Produktivität begegnen zu können. Energiezuführungen von igus ermöglichen beispielsweise die sogenannte Predictive Maintenance, die vorausschauende Wartung. Mithilfe der i.Sense Überwachungssensoren kann der Zustand der
Kettenglieder kontinuierlich an das Kommunikationsmodul i.Cee:plus übermittelt werden. Durch den Einsatz von i.Cee können Anwender auf eine nutzungs- und zustandsbasierte Wartung setzen und so die Abstände zwischen den einzelnen Inspektionsintervallen verlängern. Eine Wartung wird erst notwendig, wenn das System ein entsprechendes Signal gibt. Betreiber von Hafenkranen können mithilfe des i.Cee Systems die Anlagenverfügbarkeit erheblich steigern. Betriebsferien und andere, geplante Stillstandzeiten werden bei der Lebensdauerberechnung durch i.Cee automatisch berücksichtigt und die Prognose ständig mittels Sensorik überprüft.

Moderne Sensorik gepaart mit intelligenten Algorithmen versprechen optimale Produktivität

Als intelligentes „Preventive Maintenance“-System besteht i.Cee aus drei Ebenen: Sensorik, Hardware und Datensammlung/ -auswertung. Im Zentrum des Systems steht die Software. Sie schafft die Voraussetzung für eine intelligente, zustandsbasierte und individuelle der Lebensdauerberechnung und kontinuierlichen Überwachung der Energiezuführung im Hafen. Die i.Cee Software berechnet die Lebensdauer der Polymer-Komponente auf der Basis der tatsächlichen Beanspruchung. Das funktioniert wie folgt: Beim Start des Betriebs bzw. der Software wird die Lebensdauer mit den Algorithmen des aktuellen Online-Lebensdauerrechners abgeglichen. Die manuell erfassten Umwelt- und Bewegungsdaten werden übernommen, die Doppelhübe und/oder Kilometerlaufleistungen werden an die Software
übergeben. Sie rechnet die Angabe in Tagen um. Daraus ergibt sich die Lebensdauer bis zum empfohlenen Austausch bei Annahme der vorausgesetzten Bewegungsdaten mit 24/7 Nutzung und ständigem Einfluss der maximalen Umweltdaten.

Zum Einsatz kommen die intelligenten e-ketten von igus bereits auf den Shipyard-Kranen des chinesischen Schiffbauers Waigaoqiao Shipbuildung Co. Ltd. (SWS). Sie entsprechen in ihren Dimensionen 30-stöckigen Hochhäusern. Und trotzen sogar Taifunen. „Seit seiner Auslieferung läuft das Energieführungssystem von igus problemlos und erfordert nur minimale Wartung“, sagt Zhang Quan, Leiter der Entwicklungsabteilung von SWS. „Wir haben dadurch enorm an Arbeitskraft und Material gespart.“ Ein netter Nebeneffekt: Durch das Prinzip Rollen-statt-Gleiten sinkt die benötigte Antriebsleistung um 57 Prozent. In Zeiten explodierender Energiepreise ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Ein weiters Beispiel ist der Hafen in Norfolk / Virginia. Hier wurde bereits 2002 ein STS-Kran von Festooning auf eine Energieführungskette umgebaut. Die Leistung und Wartungsfreundlichkeit des Systems hat den Hafenbetreiber so überzeugt, dass alle neuen STS und andere Hafenkrane (RTG-, RMG- und ASC-Krane) nur noch mit igus e-ketten geliefert werden.

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