Gleitlager aus Kunststoff mit WD-40 schmieren? Geht das?
Lars Butenschön | 25. Februar 2019
Allgemein bekannt: WD-40 ist DAS Universalwerkzeug neben Panzertape. Das eine macht alles gangbar was sich bewegen soll, das andere macht alles fest, was sich nicht bewegen soll. Eigentlich sollte man damit für die meisten Lebenslagen gerüstet sein. Die einzige Möglichkeit, dieses unschlagbare Duo noch zu ergänzen wären natürlich iglidur® G Gleitlager… Na gut, vielleicht nicht ganz. Aber in diesem Beitrag soll es weniger um Werbung für iglidur® G Gleitlager gehen, sondern um eine Frage, die mich und meine Kollegen recht häufig erreicht. „Kann ich die Kunststoffgleitlager mit WD-40 schmieren?“, „Wie beständig sind Ihre Werkstoffe gegen Schmierstoffe? Zum Beispiel WD-40?“. Natürlich gibt es auch noch viele weitere dieser Fragen für ähnliche Produkte. Ich habe mir der Einfachheit und Bekanntheit halber WD-40 herausgegriffen.
Vorweg: Wenn eine Lagerstelle oder ähnliches wirklich geschmiert, also gut gleitend und ohne Verschleiß laufen soll, gibt es bessere Schmiermittel als WD-40. WD-40 ist ein sogenanntes Kriechöl, das in kleinste Ritzen und selbst in stark korrodierte Zwischenräume eindringen kann. Es eignet sich daher vor allem dafür, zum Beispiel korrodierte bewegte Teile wieder beweglich zu machen. Ohne jetzt zu tief in die Materie einzusteigen: Mittel- bis langfristig funktioniert WD-40 nur bedingt als Schmierung. Es ist schlicht zu dünnflüssig und verflüchtigt sich zu schnell.
Dennoch hat WD-40 einen Nutzen für Gleitlageranwendungen. Denn: Vor allem Kunststoffgleitlager mit integrierte Festschmierstoffen – wie zum Beispiel iglidur® – entfalten ihre Laufeigenschaften häufig erst nach einer sogenannten Einlaufphase. In der Einlaufphase verteilt sich durch den ersten Verschleiß an der Lageroberfläche etwas mehr Festschmierstoff zwischen Lager und Welle. Die Spritzhaut verschwindet dabei. Das ganze findet im Bereich weniger µm statt. Dennoch ändert sich das Laufverhalten der Buchse. Während dieser Zeit kann es zum Quietschen kommen. Mit WD-40 beseitigt man dieses Quietschen und verbessert das Einlaufverhalten…..und es gibt natürlich auch Menschen, die so sehr auf WD-40 schwören, dass einfach pauschal alles damit eingesprüht wird :).
Diese Frage unterteilt sich eigentlich in zwei Fragen. Die eine – und in der Regel auch mit der ursprünglichen Frage gemeinte: Ist der Werkstoff beständig gegen WD-40? Diese Frage kann eigentlich generell durch die chemische Beständigkeit des Lagerwerkstoffes gegen WD-40 beantwortet werden. Hierzu gibt es im Idealfall Beständigkeitstabellen, die auf entsprechenden Auslagerungsversuchen basieren. Das bedeutet grob untechnisch formuliert, dass man die Gleitlager in ein Gefäß mit der Flüssigkeit legt, wartet und dann testet, wie sich die Eigenschaften verändert haben.
Die getesteten Kunststoff-Gleitlager sind beständig. Gut, und jetzt?
Wie in der Tabelle zu sehen ist, sind für die getesteten Werkstoffe die Kriterien für eine chemische Beständigkeit gegen WD-40 erfüllt. Klasse. Aber was bedeutet das für die Funktion als Gleitlager? Dazu haben wir uns einmal den Verschleiß angeschaut. Um die Anforderungen an ein zylindrisches Gleitlager möglichst realitätsnah zu simulieren, werden die Werkstoffe bei igus in richtigen Lagerstellen als Gleitlager getestet und anschließend auf ihren Verschleiß hin untersucht. Getestet wurden zwei verschiedene Szenarien. Einerseits Gleitlager aus iglidur® G und iglidur® J, die in WD-40 getränkt aufbewahrt und dann eingesetzt wurden und andererseits Gleitlager aus iglidur® G und iglidur® J, die initial (also einmalig bei der Montage) geschmiert wurden. Diese Werte wurden mit trockenlaufenden, also ungeschmierten Gleitlagern desselben Typs verglichen.
Fazit
Das beste Ergebnis brachten die initialgeschmierten Gleitlager. Dazu muss gesagt werden, dass die Initialschmierung wirklich großzügig ausgefallen ist. Die Lagerstellen waren regelrecht mit WD-40 getränkt. Die Buchsen zeigten auch nach 4 Tagen ununterbrochenem Lauf kaum Verschleiß. Die Lager, die vor der Montage in WD-40 aufbewahrt, aber nicht zusätzlich bei der Montage geschmiert wurden, zeigten ähnliche Verschleißraten wie die trocken laufenden Gleitlager. Das liegt daran, dass beide Lagerwerkstoffe wenig WD-40 aufgenommen haben und das wenige im Lager absorbierte WD-40 nur wenig Effekt hatte. Die beiden getesteten iglidur® Werkstoffe dienten als repräsentatives Beispiel der iglidur®-Produktpalette, um zu demonstrieren, dass iglidur® Gleitlager generell von einer Initialschmierung mit WD-40 profitieren können. Aber bevor ihr jetzt los lauft, eine große Dose WD-40 (oder andere Kriechöle eures Vertrauens) kauft, um damit großflächig alle iglidur® Gleitlager ein zu streichen: Das eingangs erwähnte Verflüchtigen des Öls hat einen weiteren Haken. Nachdem die Lagerstellen „eingetrocknet“ sind, bleibt ein gewisser klebriger Rest zurück. Dieser wirkt sich dann doch wieder potenziell negativ auf das Verschleißverhalten aus und kann zu Geräuschen oder höherem Verschleiß führen. Wie sich das genau darstellt, ist aber Stoff für einen weiteren Post.
…Unabhängig davon lässt sich dennoch das Eingangsstatement bestätigen: Das dritte Universalwerkzeug neben WD-40 und Panzertape sind iglidur® Gleitlager :).
PS: Der Vollständigkeit halber sei gesagt: iglidur® Gleitlager sind natürlich für den verschleißarmen Trockenlauf ausgelegt und optimiert. Das heißt: iglidur® Gleitlager laufen auch ohne WD-40 gut.
Klaus Knaust
2015 habe ich eine Glasverteilanlage in betrieb genommen. Wellen, ca 16 m lang aus hartanodisierten Alu und Gleitlager aus Kunststoff. Das lief sehr gut bis einer der Miarbeiter auf die Idee kam die sache mit Kriechöl zu schmieren. Am Anfang und Ende der Wellen hat sich eine Menge Schmutz aus einem Öl- Staubgemisch angesammelt und die Anlage wird laut. Die Anlage ist 3-seitig Umhaust, an einer Stirnseite ist sie offen und damit der Witterung in Form von Temperatur un feuchter Luft ausgesetzt, keinem Regen, es sammelt sich aber Feinstaub an. Die Belastung, auf die 4 Lager verteilt, beträgt bis zu 250 kg, die Geschwindigkeit ca. ca 100 - 150 mm/Sek. . Können das die Lager und Buchsen auf dauer ab?
Lars Butenschön
Hallo Herr Knaust,
das klingt spannend. Glas-Staub ist für Lagerungen aller Art natürlich eine extreme Herausforderung. Hier können - das richtige Wellenmaterial vorausgesetzt - trockenlaufende Gleitlager eine gute Alternative zu geschmierten Lagern bieten, da der Glasstaub nicht zusätzlich in der Lagerstelle gebunden wird. Ob diese den von Ihnen genannetn Belastungsparametern standhalten, hängt in erster Linie von der Dimensionierung der Gleitlager ab. Da für die Auslegung der Lager die sogenannte Flächenpressung - also die zu tragende Last pro mm² Fläche - und die Umfangsgeschwindigkeit der Welle im Gleitlager betrachtet werden müssen.
Eine Möglichkeit, hier eine gute Kombination aus sinnvoll gewählten Durchmessern und kostengünstigen Gleitlagerwerkstoffen zu finden, bietet der iglidur® Gleitlager Konfigurator, mit dem sich zusätzlich und ohne händische Rechnerei die Lebensdauer der Gleitlager in der Anwendung ermitteln lässt.
Viele Grüße und einen guten Start in die Woche,
Lars Butenschön