Flächenpressung und Druckfestigkeit – einfach erklärt
Lars Butenschön | 10. Juni 2020
Nicht nur im Gleitlager-Bereich, auch in anderen Feldern des Maschinenbaus stößt man auf diese Angaben. Von der maximalen Druckfestigkeit bis zur maximal empfohlenen Flächenpressung. In technischen Unterlagen und Dokumentationen werden sie häufig nach Normen getestet und in Marketing-Gewerken als „extrem hoch“ beworben. Mal scheint die Flächenpressung der wichtigste Wert bei der Auslegung eines Gleitlagers zu sein, mal die Druckfestigkeit – schließlich habe man ja im Datenblatt des anderen Herstellers auch Druckfestigkeit stehen. Und dann steht man (ob nun Verkaufsberater oder Konstrukteur) da. Das Lastenheft sagt 100 MPa Druckfestigkeit. Der Gleitlagerhersteller 100 MPa „maximal empfohlene Flächenpressung“. Und jetzt?
Interessanterweise habe ich im Alltagsleben nur wenig schlüssige Erklärungen dafür bekommen, was eigentlich welcher Begriff genau bedeutet und wie sie sich unterscheiden. Und – ganz ehrlich – auch die Erläuterungen in den Maschinenbau-Vorlesungen griffen da irgendwie zu kurz. Eine möglichst einfache und einleuchtende Erklärung muss her. Wie wird die zulässige Flächenpressung ermittelt? Und warum weicht sie von der Druckfestigkeit des Werkstoffs ab? Muss man beides berücksichtigen? Flächenpressung UND Druckfestigkeit? Ein Mysterium.
Einfach gesagt, bezeichnet die maximale Druckfestigkeit den Druck, ab dem sich ein (idR genormter) Probekörper irreversibel verformt. Dabei wird die Bruchlast ins Verhältnis zur Querschnittsfläche gesetzt. Auf ein Gleitlager übertragen, wäre dies die Wand – also die Querschnittsfläche zwischen Innen- und Außendurchmesser.
Blöd ist jetzt leider, dass die Druckfestigkeit an Probekörpern gemessen wird. Das wäre anders auch kaum möglich, da ja sonst für jedes individuelle Bauteil die Druckfestigkeit einzeln bestimmt werden müsste. Hinzu kommt die generelle Formgebung des Bauteils. Gleitlager sind zylindrische Körper, auf die aus häufig nur einer Richtung Druck gelangt. Das bedeutet dass nicht die ganze Oberfläche den gleichen Druck aufnehmen muss. Wie verhält sich das dann mit der Druckfestigkeit? Schwierig. Hinzu kommt, dass – um am Beispiel der Lagerstelle zu bleiben – ja nicht nur „einfacher“ Druck im Gleitlager aufgenommen werden muss. Die Last ist nicht dauerhaft und gleichmäßig auf die Lageroberfläche verteilt sondern wirkt impuls- oder schlagartig oder tritt als Kantenbelastung an einer Stelle mehr auf. Ebenfalls schwierig.
Die Flächenpressung ist ebenfalls ein Druck. Also eine Kraft, die auf eine bestimmte Fläche wirkt. Allerdings geht es hier dabei um eine andere Fläche als bei der Druckfestigkeit. Es geht um die Oberfläche des Körpers. Insofern sind die Begriffe Druckfestigkeit und Flächenpressung vielleicht einfach etwas unintuitiv gewählt. Wir halten fest: Die Flächenpressung meint eigentlich die Oberflächenpressung. Auf unser Gleitlager bezogen hieße das: Die Flächenpressung meint den Druck, der an der Kontaktfläche zwischen Bohrung und Gleitlager, bzw. Gleitlager-Innenfläche und Lagerbolzen herrscht. Insofern könnte man hier auch von einer Kontaktflächenpressung sprechen. Diese Flächenpressung berücksichtigt entsprechend auch die Form und Belastungscharakteristika des Gleitlagers etwas besser.
Und hier liegt der Hauptunterschied zwischen Druckfestigkeit und Flächenpressung. Während die Druckfestigkeit sich auf den Bauteilquerschnitt und die Spannungen IM Material selbst bezieht, beschreibt die Flächenpressung die Spannung an der Kontaktfläche.
Ein weiterer großer Unterschied: Die Messmethode. Die Messung der Druckfestigkeit ist weitgehend standardisiert und erfolgt häufig mit einheitlichen und exemplarischen Probekörpern. Die maximale – oder meist auch „maximal empfohlene“ Flächenpressung beruht häufig auf Erfahrungswerten und einer Anzahl verschiedener Tests, die für die jeweilige Bauteilreihe durchgeführt wurde. Häufig sind diese Werte entsprechend unterschiedlich hoch.
Die Frage, ob nun Flächenpressung und Druckfestigkeit gleich oder unterschiedlich wichtig sind, lässt sich pauschal nicht eindeutig beantworten. Berücksichtigen Sie im Zweifelsfall beide. Für Bauteilspezifische Fragestellungen liefert die Flächenpressung jedoch häufig die praxisnäheren Erkenntnisse.
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