Ein Haus aus dem 3D-Drucker?

Christine Barreto | 25. Februar 2022

Dass der industrielle 3D-Druck viele Branchen bereichert, ist kaum verwunderlich, immerhin bringt die additive Fertigung eine Reihe bestechender Vorteile mit sich: Von Geometriefreiheit, über eine große Materialauswahl (Ikea druckt neben vegetarischen Köttbullar auch Dekorationselemente auf Anfrage im Lasersinterverfahren), hin zu völlig neuen Strukturen sind den Ingenieur*innen mit 3D-Druckern kaum noch Grenzen gesetzt. Doch nicht nur das Ingenieurwesen wird durch additiv gefertigte Teile revolutioniert – auch in der Architektur finden sich immer mehr 3D-Drucker in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen wieder. Welche Vorteile der 3D-Druck für moderne Architekt*innen birgt und in welchen zukunftsweisenden Gebieten sich diese bemerkbar machen wird im folgenden Blogpost geklärt.

3D-Druck von Baumodellen mit einer Architektur-Software (CAD)

Ein Haus aus dem 3D-Drucker. Ist das möglich?
Der Gebäude- und Städtebau steht dank des 3D-Drucks vor einem Umbruch.

Wo früher ein händischer Konstruktionsaufwand von mehreren Tagen bestand, ist nun die digitale Konstruktion und der Druck eines dreidimensionalen Modells innerhalb weniger Stunden möglich. Das ist zwar abhängig von der Komplexität des Modells, aber der Kosten- und Zeitvorteil macht sich bei kleinen und großen Architekturprojekten deutlich bemerkbar. Dabei können sich Architekt*innen diverser kostenloser Softwares bedienen (sowohl CAD als auch Slicing-Programme, z.B. Cura von Ultimaker), aber auch käufliche Programme (z.B. Simplify3D) bieten sich für eine professionelle Nutzung mit weiterführenden Funktionen an. Bei dem großen Angebot an 3D-Druckern, das mittlerweile auf dem Markt existiert, sollte hier auf die individuellen Anforderungen an die Modelle geachtet werden. Wichtige Aspekte hierbei sind u.a. die Detailgenauigkeit für die Druckauflösung, die Modellgröße bzw. der Maßstab für das Druckvolumen, das Material und die Farbe.

Schnelle Entwicklung und Hilfe konnte durch ein 3D-gedrucktes Baumodell im ghanaischen Dorf Agbenoxoe gewährleistet werden. Hier wurde ein Sozialzentrum durch einen Tropensturm zerstört und sollte schnellstmöglich wieder aufgebaut werden. Für einen raschen Austausch mit den Bewohner:innen wurde ein Modell im Binder-Jetting Verfahren (vereinfacht: Pulver wird an vorbestimmten Stellen mit Bindemittel verklebt) gedruckt. Damit hatten die Dorfbewohner:innen nicht nur eine konkrete Vorstellung des neuen Zentrums; es konnte mitbenutzt werden, um das Projekt vorzustellen und somit finanzielle Mittel dafür zu sammeln.

Detailgetreue Reproduktion eines Denkmals

Das historische Liebknecht-Portal, das das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR ziert (kleiner Geschichtsexkurs: Hier rief Karl Liebknecht am 9. November 1918 die „freie sozialistische Republik“ aus) sollte dupliziert werden, um als Kopie am neu aufzubauenden Berliner Stadtschloss angebracht zu werden. Damit die Bildhauer*innen eine exakte Kopie herstellen konnten, musste eine detailgetreue Vorlage her, ohne dabei das Original zu beeinträchtigen – schließlich steht dieses unter Denkmalschutz. Mit dem kontaktlosen 3D-Scannen und 3D-Drucken der Bauteile im 3D-Sanddruckverfahren konnte genau das umgesetzt werden. Die Kopie ist dank der Präzision des 3D-Drucks kaum vom Original zu unterscheiden.

3D-Druck von Gebäuden & Co.

Einen neuen Maßstab setzt die additive Fertigung mit Beton – um ganze Gebäude zu drucken. Mit der speziellen Betonmischung von HeidelbergCement konnte beispielsweise 2020 ein zweistöckiges Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 160 m² in Beckum, NRW gedruckt werden. Der 3D-Drucker wurde von PERI installiert, einem Unternehmen, das sich auf Schalungs- und Gerüstsysteme für die Bauindustrie spezialisiert hat.

In diesem Video von HeidelbergCement sehen Sie, wie der Beton schichtweise von einem 3D-Drucker aufgetragen wird.

Bereits 2019 hatte es ein Projekt „Project Milestone“ der TU Eindhoven gegeben, bei dem fünf bewohnbare Häuser mit 3D-Druckern aus Beton gefertigt wurden. Die ein- und mehrstöckigen Wohnhäuser wurden nacheinander gedruckt, um aus den jeweiligen Prozessen zu lernen und das Gelernte beim nächsten Haus direkt anwenden zu können.

Nicht nur in Sachen Wohnhäuser sind die niederländischen Bauingenieur*innen 3D-Druck-Pioniere – auch Brücken konnten sie bereits erfolgreich im 3D-Druck-Verfahren funktional herstellen. In Amsterdam musste eine Brücke renoviert werden. Um den Oudezijds Achterburgwal Kanal trotzdem überqueren zu können, wurde eine Brücke aus Stahl gedruckt. Verantwortlich war das Robotik-Unternehmen MX3D, das mit Roboterarmen geschmolzenen Stahl Schicht für Schicht auftrug. Nach ca. 6 Monaten Bauzeit stand führte die Brücke schließlich über den Kanal. Doch damit war es nicht getan. Das Unternehmen baute die Brücke „smart“: Mit eingebauten Sensoren sollten Bewegung, Belastung und Vibration überwacht werden, sowie das Verhalten des Materials unter verschiedenen Wetterbedingungen, Luftqualität und Temperatur festgehalten werden. Ein weiterer Schritt der Industrie 4.0 dank 3D-Druck-Technologien.

Für die Bauindustrie bietet das 3D-Druck-Verfahren in vielerlei Hinsicht Vorteile: Mit nur wenigen Fachkräften auf der Baustelle kann dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Außerdem könnte durch die neue Technologie wieder das Interesse am Bau geweckt werden. Die Geschwindigkeit des 3D-Drucks macht sich auch hier bemerkbar. Etwa vier Tage Druckzeit brauchte es, um das Wohnhaus in Beckum fertigzustellen. Zwar ist die Planungszeit im Vergleich zum herkömmlichen Bau deutlich erhöht, die Ausführung ist dafür einfach und schnell erledigt, sogar bei komplexeren Geometrien und Formen. Doch ist das Verfahren zukunftsweisend für die Bauindustrie? Die Verantwortlichen für das Projekt sind sich einig: Mit noch etwas mehr Entwicklungszeit und Forschung können die Baukosten reduziert werden und eine neue Ära des Gebäudebaus wird eingeläutet.

3D-Druck Architektur-Projekt der FH Aachen

Mit Hilfe des 3D-Drucks sind völlig neue Strukturen und Formen realisierbar, die eine bessere Anpassung von Gebäuden an die Witterungsverhältnisse ermöglichen.
Mit Hilfe des 3D-Drucks sind völlig neue Strukturen und Formen realisierbar, die eine bessere Anpassung von Gebäuden an die Witterungsverhältnisse ermöglichen.

Neue Konzepte, neues Material. Azure Printed Homes macht es vor und möchte bald Häuser und Gartenstudios aus recyceltem Kunststoff im 3D-Druck herstellen. Das Unternehmen aus den USA verspricht sich dadurch eine Reduktion der Kohlenstoffemissionen sowie eine Kostensenkung von 30% bei der Konstruktion. Doch nicht nur der klassische Hausbau kann von 3D-gedrucktem Kunststoff profitieren. Bei einem Projekt von Architektur-Student*innen der FH Aachen konnten sogenannte kinetische Konstruktionen mit Hilfe von verschleißfestem Kunststoff der igus GmbH aus Köln entworfen und gedruckt werden. Bei den kinetischen Konstruktionen handelt es sich um architektonische Entwürfe, die statische Gebäude beweglich machen sollen und so z.B. eine Anpassung an Sonneneinstrahlung ermöglichen. Aus dem Projekt entstand bspw. ein Modell eines Falt-Pavillons, der als mobiler Messestand je nach Anforderungen an den Stand aufgestellt werden kann. Die Mobilität hat der Stand den 3D-gedruckten Scharnieren aus iglidur I150 zu verdanken, mit denen die Dreiecksflächen an die jeweilige Struktur angepasst werden können. U.a. soll auch ein bewegliches Sonnensegel von einem 3D-gedruckten Planetengetriebe angetrieben werden. Die Idee dahinter: Mit dem Teleskopsystem soll ein bewegliches textiles Dach an die Sonneneinwirkung flexibel angepasst werden können.

Ob in großem oder kleinem Maßstab – mit 3D-Druck sind mittlerweile viele neue Optionen in der Architektur möglich. Sowohl die Modellierung als auch der Bau an sich können sowohl vom Herstellungsverfahren als auch von den vielen Konstruktionsmaterialien profitieren. Architekt*innen und Konstrukteur*innen sind zuversichtlich was reduzierte Kosten angeht und auch in der Forschung werden die Ergebnisse immer eindeutiger: Die Möglichkeiten, die der 3D-Druck bietet, sind eine Zukunftstechnologie der (sehr) nahen Zukunft.

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