Schüler bauen 60 km/h schnelles RC-Car mit Zahnrädern aus dem 3D-Drucker
igu-blog-adm | 3. November 2018
Mit 60 km/h ist das ferngesteuerte Auto von Schülern der Eugen-Reintjes-Berufsschule in Hameln so schnell wie ein Löwe. Bestandteil seines Antriebs sind verschleißfeste Zahnräder aus Hochleistungskunststoff, die kostengünstig mit dem 3D-Drucker gefertigt wurden. An den Start geht der E-Flitzer beim Rennen JET-Challenge, das der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) im Rahmen der IdeenExpo 2019 in Hannover ausrichtet.
Das Thema E-Mobilität ist eines der heißesten Zukunftsthemen. Damit Deutschland eine führende Rolle spielen kann, muss man Schüler schon heute für naturwissenschaftliche und technische Berufe begeistern. Davon sind der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und die Hochschule Hannover (HSH) überzeugt. Seit 2007 führen sie den Wettbewerb „JeT Challenge“ auf der Ideen-Expo in Hannover durch, eine Veranstaltung, die sich mittlerweile zum größten Jugend-Event Europas für Naturwissenschaft und Technik entwickelt hat.
2019 können Besucher am Stand der HSH ein Highlight bestaunen: Eine 20 m lange Rennbahn, mit Teppich ausgelegt, mit Holzbalken umrandet und mit Schaumstoff gepolstert. Die Bahn ist Austragungsort der sogenannten JET-Challenge. JET, das steht für „Jugend entdeckt Technik“. Doch nicht irgendeine Technik. Schüler aus ganz Niedersachsen sollen sich für E-Mobilität begeistern. Rund 25 Teams nehmen sich der Aufgabe an, ein elektrisch angetriebenes und ferngesteuertes Auto im Maßstab 1:10 zu bauen. Beim Wettbewerb treten die Autos gegeneinander an. Um zu gewinnen, muss das Auto aber nicht nur schnell sein, sondern auch energieeffizient – eine der Schlüsseleigenschaften, die auch in der Erwachsenenwelt über den Erfolg eines Elektroautos entscheidet.
Strenge Regeln: Für das Auto-Tuning stehen nur 50 Euro zur Verfügung
Das Team mit dem meisten Geld hat einen Vorteil? Nein, denn die Budgets sind beschränkt. Nur 50 Euro stehen den Schülern zur Verfügung, um ein handelsübliches ferngesteuertes Auto – auch Remote Control (RC) Car genannt – in eine Effizienzmaschine zu verwandeln. Die theoretischen Grundlagen lernen die Schüler der Sekundarstufen I und II im Physik- und Technikunterricht kennen. Dazu gehört das Ein-mal-Eins der Kategorien Getriebe, Elektromotor und Akkutechnik. Danach zerlegen die Schüler das Auto, um es als Dreirad-Version wieder zusammenzusetzen. Das Team der Eugen-Reintjes-Berufsschule aus dem niedersächsischen Hameln setzt dabei auf ein Zahnradgetriebe mit modifizierten Zahnrädern. Klingt einfach. Ist aber eine logistische Herausforderung. Denn wo erhält man kostengünstig Zahnräder, deren Dimensionen sich frei bestimmen lassen, die zudem verschleißfest und verlässlich sind? Schließlich ist der Budgetgürtel eng geschnallt.
Schüler sparen Geld mit dem 3D-Druckservice
Fündig sind die Berufsschüler bei igus geworden. Konfigurieren lassen sich die Zahnräder über einen Online-Konfigurator. Mit wenigen Mausklicks legen die Schüler unter anderem Größe und Anzahl der Zähne fest. Alternativ können sie einen digitalen Konstruktionsplan als Computer Aided Design (CAD) Datei hochladen. Die Fertigung übernimmt dann ein 3D-Drucker, der mit dem sogenannten Selektiven Lasersintern (SLS) Verfahren arbeitet. Dabei breitet ein Beschichter eine hauchdünne Schicht eines Kunststoffpulvers auf einer Bauplattform aus. Ein Laser verschmilzt das Pulver überall dort, wo das Zahnrad entstehen soll. Anschließend senkt sich die Plattform um eine Schichtstärke ab und der Prozess beginnt von vorn. In wenigen Stunden entstehen so Schicht für Schicht die Zahnräder aus verschleiß und abriebfesten Hochleistungskunststoffen für das Getriebe des Rennautos.
Das SLS-Verfahren ist kostensparend. Denn es sind weder Spezialwerkzeuge noch Spritzgusswerke erforderlich. Ein Verfahren, das sich bei jungen Erfindern mit niedrigen Budgets und bei der professionellen Prototypenherstellung gleichermaßen steigender Beliebtheit erfreut. „Aufgrund der sehr hohen Nachfrage an verschleißfesten Sonderlösungen über den 3D-Druckservice haben wir jetzt unsere Kapazitäten mit neuen SLS-Druckern um 200% erhöht“, erklärt Tom Krause, Leiter Additive Fertigung bei igus.
Hochleistungskunststoff macht Rennautos robust
Damit verschleißfeste Zahnräder aus Hochleistungskunststoff auch verschleißfest sind, hat igus im Labor einen Hochleistungskunststoff namens iglidur i6 als Druckmaterial für den 3D-Drucker entwickelt. Labortests beweisen: Der Kunststoff ist deutlich robuster als klassisches Polyoxymetylen (POM). Bei einem Test haben Ingenieure Zahnräder mit 12 Upm laufen lassen und mit 5 Nm belastet. Ein gefrästes Zahnrad aus POM war nach 321.000 Umdrehungen verschlissen und nach 621.000 gebrochen. Das Auto würde beim Rennen augenblicklich ausfallen. Der GAU. Das 3D-gedruckte Zahnrad aus iglidur i6 schnitt hingegen deutlich besser ab. Auch nach einer Million Umdrehungen war das Bauteil noch voll funktionstüchtig und Abnutzung kaum messbar. Die Schüler können also auf hohe Ausfallsicherheit vertrauen.
Verschleißfeste Zahnräder aus Hochleistungskunststoff haben Feuertaufe bereits bestanden
Im Getriebe der Rennautos aus Hameln kommen Zahnräder mit 51 Zähnen (Modul 0,6) aus iglidur i6 zum Einsatz. Ihre Feuertaufe haben SLS-die Bauteile aus bereits bestanden.
„Ich habe gestern unser Testfahrzeug mit dem Zahnrad aus Köln bestückt und eine Akku-Ladung verheizt, der Einbau verlief reibungslos, wie geplant“, erklärt Jürgen Molsbach, Lehrer der Eugen-Reintjes-Schule. Das Bauteil funktioniere hervorragend. „Jetzt erreicht das Fahrzeug auch mit kleinen Rädern die Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h und kann trotzdem energieeffizient gefahren werden.“
Ob dieser Speed für den Sieg reicht, wird sich auf der IdeenExpo zeigen, die vom 15. bis 23. Juni 2019 in Hannover stattfindet. Selbstbewusstsein ist bei den Schülern jedenfalls vorhanden. Bei der JET-Challenge 2018 haben sie den Pokal nach Hameln geholt. „Das Rennen um das beste E-Mobil macht den Jugendlichen Spaß“, sagt Molsbach. „Es geht aber nicht nur um das Entwickeln, Bauen und Verstehen von technischen Zusammenhängen, sondern auch darum, das Fahrzeug am schnellsten durch den Parcours zu lenken sowie als Team zu funktionieren.“