ESD-Energieketten für den ATEX-/Ex-Bereich

Christian Ziegler | 1. April 2020

Was bedeutet eigentlich ATEX? Und was bedeutet das für die Auswahl meiner Energiekette für den Ex-Bereich? Hier geben wir Ihnen Antwort auf die wichtigsten Fragen.

ESD-Energieketten für den ATEX/Ex-Bereich

ATEX-Richtlinien

ATEX ist eine Abkürzung für das französische ATmosphères EXplosibles und wird als Synonym für die EU-Richtlinien zum Explosionsschutz verwendet. Aktuell gibt es zwei Richtlinien: Die ATEX-Produktrichtlinie 2014/34/EU und die ATEX-Betriebsrichtlinie 1999/92/EG. Die Produktrichtlinie formuliert Anforderungen an Produkte, die in explosionsgefährdeten Bereichen (sog. Ex-Bereichen) eingesetzt werden. Explosionsgefahren treten zum Beispiel in der chemischen Industrie und im Bergbau auf, aber auch in vielen Bereichen der verarbeitenden Industrie: Getreidelager und – mühlen, Lackieranlagen, Holzbearbeitung, Textilverarbeitung, uvm.

Für die Beurteilung von Energieketten wird also die Produktrichtlinie herangezogen. In dieser wird klar definiert: Komponenten im Sinne der ATEX-Richtlinie sind „Bauteile, die für den sicheren Betrieb von Geräten und Schutzsystemen erforderlich sind, ohne jedoch selbst eine autonome Funktion zu erfüllen“. Diese Beschreibung trifft zunächst einmal auf Energieketten zu.

Anforderungen an die Energiekette

Was bedeutet das jetzt konkret für die Auswahl einer geeigneten Energiekette für den Ex-Bereich? Muss die Kette ATEX-konform sein? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Denn obwohl eine Schleppkette gemäß ATEX-Definition eine Komponente darstellt, muss die Kette selbst nicht zertifiziert sein. Wieso das? Nun, laut einem Gutachten des TÜV Rheinland fallen Energieketten nicht unter die Richtlinie 2014/34/EU: Weil sie selbst keine autonome Funktion haben und angetrieben werden müssen. Und weil sie keine eigene Zündquelle haben. Eine mögliche elektrostatische Aufladung sei kein alleiniges Kriterium, um unter die Richtlinie zu fallen.

Leitfähige Kunststoff-Energieketten

Da die Ketten also nicht unter die Richtlinie fallen, darf ein Ketten-Hersteller auch keine Konformität erklären. Der Anlagen- oder Maschinenhersteller, der eine Energiekette einsetzt, muss dagegen sehr wohl seine Anlage von einem ATEX-Prüfer abnehmen lassen. Wie oben geschrieben ist die Möglichkeit elektrostatischer Aufladung zwar kein ausreichendes ATEX-Kriterium, doch die Gefahr besteht ja trotzdem: Im Falle einer statischen Aufladung der Energiekette ist es möglich, dass beim Entladen ein kleiner Lichtbogen entsteht. Und der kann bereits ausreichen, um z. B. explosive Gase oder leicht entzündbare Späne zum Entflammen, zum Explodieren zu bringen. Diese Gefahr der elektrischen Entladung wird allgemein als ESD bezeichnet (vom englischen electrostatical discharge).

Um der statischen Aufladung entgegenzuwirken und damit die Abnahme der Gesamtanlage zu begünstigen, ist es also sinnvoll Energieketten aus einem leitfähigen Material einzusetzen. Neben metallischen Ketten gibt es hier auch Kunststoff-Ketten aus leitfähigen Spezial-Compounds – in Anlehnung an die elektrische Entladung wird hier oft auch von ESD-Material gesprochen.

Besonderheiten von ESD-Energieketten

Einige Hersteller von Kunststoff-Schleppketten bieten solche ESD-Ausführungen an. Dabei wird bei der Produktion anstelle des Standard-Kunststoffs ein leitfähiges Compound in den Spritzgußwerkzeugen verarbeitet. Form und Aussehen der ESD-Teile sind somit kaum von den Standard-Teilen zu unterscheiden. Um hier eine Verwechslung auszuschließen, produziert zum Beispiel die igus GmbH ihre ESD-Energieketten in einem anderen Farbton als die Standard-Ketten – schiefergrau (ähnl. RAL7015) statt schwarz.

leitfähige ESD-Ketten

Konstruktiver Aufbau

Neben dem Material ist aber auch der konstruktive Aufbau der Kette entscheidend für eine dauerhaft konstante Ableitung. Um das zu verstehen, schauen wir uns als Beispiel die igus e-ketten aus dem E4.1-Baukasten an: Die Kettenglieder haben eine formschlüssige Verbindung zueinander. Die Innenlaschen der Energiekette greifen in die beidseitig folgenden Außenlaschen. Dieser Hintergriff garantiert einen dauerhaften Kontakt der Kettenglieder untereinander und somit auch nach Millionen von Zyklen noch eine sichere Ableitung.

ESD-Energiekette mit Hintergriff, System E4.1 von igus

Veränderte mechanische Eigenschaften

Trotz gleicher Geometrie sind die mechanischen Eigenschaften von ESD-Ketten anders als bei den Standard-Ausführungen. Für die Auslegung relevante Werte wie die maximale Zusatzlast oder die maximale freitragende Länge können vom Standard abweichen – und sind tendenziell eher geringer. Auch das Abriebverhalten ändert sich durch den anderen Werkstoff. Deshalb empfehlen wir bei anspruchsvollen, grenzwertigen Kettenanwendungen unbedingt Rücksprache mit uns: Wir beraten Sie gern – vor Ort, telefonisch oder über digitale Medien (z.B. MS Teams).

Erdung bei Installation

Neben den generell gültigen Montagehinweisen für Energieketten, gilt es für den Einsatz im Ex-Bereich noch weitere Einbauregeln zu beachten: Besonders ist eine korrekte Erdung des kompletten Energiekettensystems sicherzustellen. Sowohl die beidseitigen Anschlüsse, als auch die Unterlage müssen geerdet werden. Bei seitlich geführten, gleitenden Energieketten gilt dies auch für die Führungsrinne. Und selbstverständlich müssen alle verbauten Komponenten leitfähig sein.

Anschluss einer ESD-Energiekette

Anwendungsbeispiele

Es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten für Energieketten im Ex-Bereich. Hier zwei ausgewählte Beispiele: e-ketten an einem Kesselwagen und an einer Tief-Bohranlage.

Energieketten im ATEX-/Ex-Bereich
ESD-Energiekette an einem Kesselwagen
Energieketten im ATEX-/Ex-Bereich
ESD-Energiekette an einer Tiefbohranlage

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