Mythos Wandstärke: Was Gleitlager mit Butter gemeinsam haben
Lars Butenschön | 8. Juni 2018
Je größer die Differenz zwischen Außen- und Innendurchmesser und damit die Wandstärke, desto mehr Material steht zur Stützung der hohen Last zur Verfügung. Die Lagerstelle wird stabiler und die Gesamtkonstruktion widerstandsfähiger…. oder?
…Und so kommen wir auch zum eingangs erwähnten Stück Butter. Was passiert, wenn man sich auf ein Stück Butter stellen würde? Und wie würde sich das Resultat ändern, wenn man statt einem Stück Butter zwei aufeinanderlegt?
Entscheidend ist der Traganteil
Dazu ein bisschen Physik: Entscheidend für die Tragfähigkeit eines Lagers ist nicht die Wandstärke, sondern der Traganteil. Die Größe der Fläche, die die Last trägt. Es kommt schlicht darauf an, auf wie viel Fläche sich die Last verteilen kann. Aus diesem Grund spricht man bei der Auslegung von Gleitlagern häufig von der sogenannten Druckfestigkeit oder maximal empfohlenen Flächenpressung. Beide Begriffe beschreiben, wie viel Last eine bestimmte Fläche (1 mm²) eines Werkstoffs trägt. Sie wird daher in N/mm² angegeben. So lässt sich genau ermitteln, wie viel tragende Fläche benötigt wird, um eine bestimmte Last tragen zu können. Die Dicke der Fläche hat mit dieser Rechnung rein gar nichts zu tun.
Reicht die Tragfähigkeit des Gleitlagers nicht aus, sollten die Mittel der Wahl also die Vergrößerung des Traganteils im Lager sein – zum Beispiel indem man das Lager (und das Lagergehäuse) breiter ausführt oder den Wellenquerschnitt erhöht. Der Effekt ist eine größere Fläche, die wiederum die Kraft um ein Vielfaches besser verteilt. Wie dick diese Fläche – also die Wanddicke – ist, spielt aufgrund der Unterstützung durch das Lagergehäuse keine Rolle.
Gleitlager mit geringer Wandstärke sparen Gewicht und Kosten
In vielen Anwendungen können so durch den Einsatz dünnwandiger Gleitlager Kosten und Gewicht eingespart werden. Durch den Einsatz von Kunststoffgleitlager mit geringer Wandstärke kann dieser Effekt noch weiter verstärkt werden. Zusätzlich zu diesen Effekten profitieren Gleitlager aus Kunststoff zusätzlich von dünnen Wandstärken, da so die bei der Bewegung entstehende Reibungswärme besser abtransportiert und so die Lebensdauer zusätzlich erhöht wird.
Übertragen wir diese Erkenntnisse auf unser Butterbeispiel, kann man sich auch ohne Sauerei vorstellen was passieren würde. Butter ist (bei Raumtemperatur) weich. Die Kraft pro Fläche – oder eher Druckfestigkeit (Newton / mm²) von Butter ist also gering. Da sich unser Gewicht auf relativ wenig Fläche (unseren Schuh) verteilt, gibt die weiche Butter nach. Der Schuh versinkt in der Butter und wird erst durch den Boden (hart, hohe Druckfestigkeit) unter der Butter aufgehalten. Ein ähnliches Problem ist das Einsinken in Schnee, das man mit Schneeschuhen lösen kann….
Doch um unseren Butterversuch jetzt nicht noch absurder zu machen… Wir merken uns: Bei hohen Lasten ist die Flächenpressung im Gleitlager entscheidend. Ist die tragende Fläche groß genug, ist alles in Butter.