Bieten Gleitlager mit großen Wandstärken Vorteile in Schwerlastanwendungen?

Uwe Sund | 24. April 2020

Ich behaupte: Nein!

In vielen Schwerlastanwendungen in der Agrartechnik und bei Baumaschinen werden metallische Gleitlager mit relativ hohen Wandstärken verwendet, z.B. entsprechend DIN1850.

Typische Lager sind Stahlbuchsen und Gleitlager aus Buntmetall (Bronze = Kupfer + Zinn, Messing = Kupfer + Zink), aber auch gesinterte Werkstoffe.

Gründe für „große“ Wandstärken bei metallischen Lagern

Oft werden diese Lager aus Vollmaterial hergestellt. Wenn im Innendurchmesser noch spezielle Bearbeitungen durchgeführt werden, um z.B. Schmiernuten einzubringen, liegt es auf der Hand, dass „Wandstärke“ gefordert ist.

Auch ist es für mich schwer vorstellbar, dass z.B. ein metallisches Lager mit Innendurchmesser 100 mm und einem Außendurchmesser von 105 mm (das entspräche dann der ISO 3547-1) ohne größeren Aufwand in eine Aufnahmebohrung gepresst werden kann ohne Gefahr zu laufen, das Lager dabei zu deformieren oder anders zu beschädigen.

iglidur Gleitlager lassen sich übrigens sehr komfortabel montieren. Im Notfall auch mal auf dem Feld mit einem Hammer und einem Stück Holz …

Bedenken gegenüber dem Einsatz von schwächeren Wandstärken entsprechend ISO 3547-1

Am Anfang vieler Projekte, bei denen es um den Austausch geschmierter metallischer Lager zugunsten wartungsfreier iglidur Gleitlager geht, stoße ich auf massive Bedenken. „Schon immer“ werden dickwandige metallische Lager eingesetzt. Nun komme ich und möchte nicht nur ein metallisches Lager durch ein Kunststoffgleitlager ersetzen … gleichzeitig rate ich dazu, auch ein dünnwandigeres Lager einzusetzen. Das sind zwei dicke Brocken auf einmal.

iglidur Polymerlager – schon lange bewährt in der Landtechnik

Das iglidur Gleitlager metallische Gleitlager in Schwerlastanwendungen ersetzen können, haben wir bewiesen. Dazu gibt es viele Referenzen, mittlerweile haben wir uns mit unseren Produkten gerade in der Agrartechnik durchaus etabliert. Das möchte ich an dieser Stelle nur an einem Beispiel exemplarisch demonstrieren.

Typische Anwendung für iglidur Gleitlager in einem Überlastelement, Doppelklick führt zum ausführlichen Anwenderbericht (Quelle: igus GmbH)

Aber was bedeutet nun die Reduktion der Wandstärke für den Verschleiß?

Aus meiner Sicht gibt es nur einen Nachteil: wenn die komplette Wandstärke als „Verschleißreserve“ dient, dann hält ein dickwandiges Lager – identische Verschleißrate vorausgesetzt! – natürlich entsprechend länger.

Aber mal ehrlich, in welcher Anwendung wird ein Verschleiß im Millimeterbereich toleriert? In Säscharen z.B. wohl kaum. Das hätte fatale Auswirkungen auf das Säbild.

Kein Kunde akzeptiert in seinen Maschinen riesiges Lagerspiel!

Und wenn ein metallisches Lager erst einmal stark verschlissen ist, nimmt die Sache richtig an Fahrt auf. Denn das wird kaum ohne Konsequenzen für die Welle bleiben, es kann sogar zum Fressen kommen.

Um der Sache mit Blick auf unsere iglidur Werkstoffe auf den Grund zu gehen, haben wir Lager mit unterschiedlichen Wandstärken auf Verschleiß getestet.

Dazu wurden die Werkstoffe iglidur G und iglidur J auf unterschiedlichen Wellen bei 30 MPa schwenkend getestet.

Eindeutiges Ergebnis

Je höher die Wandstärke, desto höher die Verschleißrate.

Verschleißergebnisse iglidur J, bei 1 mm, 1,5 mm und 3 mm Wandstärke
(Quelle: igus GmbH)
Verschleißergebnisse iglidur G, bei 1 mm und 1,5 mm Wandstärke
(Quelle: igus GmbH)

Die Ursache für den etwas höheren Verschleiß liegt unter anderem in der niedrigen Wärmeleitfähigkeit von Kunststoff. In Anwendungen mit einem hohen p x v Wert kann es zu einer Erwärmung des Materials kommen. Je höher der spezifische p x v Wert einer Anwendung ist, desto kritischer.

Aber an dieser Stelle direkt Entwarnung: in den meisten typischen Anwendungen in der Landtechnik und in Baumaschinen ist die Geschwindigkeit so niedrig, dass keine negativen Folgen zu erwarten sind. Niemand wird versuchen über einen längeren Zeitraum z.B. einen Frontlader oder Radlader so schnell wie möglich mit voller Last zu Heben und zu Senken.

Wer das Thema p x v Wert vertiefen möchte, findet entsprechende Informationen auf der igus Homepage.

Doppelklick führt auf die igus Homepage
(Quelle: igus GmbH)

Typische Hürde für einen Praxisversuch – und wie man diese überwindet

Da die Aufnahme für einen im Verhältnis größeren Außendurchmesser ausgelegt ist, wird das entsprechende igus Gleitlager bei gleichem Durchmesser zu klein sein. Hier kann dann mit einem Adapter gearbeitet werden, um die fehlende Wandstärke auszugleichen. Dazu ist es am Einfachsten das ursprüngliche metallische Gleitlager im Innendurchmesser entsprechend nachzuarbeiten … auch wenn es sicher etwas schmerzt ein teures Bronzelager als Adapter zu missbrauchen.

Fazit

Eine große Wandstärke macht ein Gleitlager nicht verschleißfester!

Weitere Vorteile einer geringeren Wandstärke von iglidur Gleitlager:

Die Lager sind im Vergleich günstiger, es wird weniger Material eingesetzt und die Zykluszeiten des Spritzgusses sind kürzer. Außerdem ermöglichen geringere Wandstärken engere Toleranzen.

Also: wenn von Metall auf Kunststoff gewechselt wird, am besten direkt auch die Wandstärke tauschen.

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